
Erbrecht: Wenn ein Weinbauer einen Sohn bevorzugt
Ein Winzer übergab seinen gesamten Weinbaubetrieb einem seiner Kinder, während die anderen Kinder leer ausgingen. War das nun eine reguläre Übergabe oder eine verdeckte Schenkung, die auf den Pflichtteil angerechnet werden muss? Genau mit dieser Frage beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer aktuellen Entscheidung (OGH 19.11.2024, 2 Ob 248/23v).
Was ist passiert?
Ein Vater hinterließ als Erben seine Frau und drei Kinder. Doch bereits 1997 hatte er gemeinsam mit seiner Frau einen großen Teil seines Vermögens – den Weinbaubetrieb – an eines der Kinder übertragen. Der Begünstigte musste zwar gewisse Gegenleistungen erbringen (z.B. die Übernahme von Schulden und Unterhaltszahlungen an die Eltern), aber diese waren im Vergleich zum Wert des Betriebs viel geringer. Die anderen Kinder forderten daher die Anrechnung dieser Übergabe als Schenkung, um dadurch vom Beschenkten eine Ausgleichszahlung zu erhalten.
Das Problem: War das eine Schenkung?
Nach österreichischem Recht können Pflichtteilsberechtigte fordern, dass Schenkungen, die ein Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, in die Berechnung des Pflichtteils mit einfließen. Dies kann sogar zu einer Haftung des Beschenkten gegenüber den benachteiligten Pflichtteilsberechtigten führen. Die Anrechnung von Schenkungen gilt aber nicht nur für klassische Geschenke, sondern auch für sogenannte „gemischte Schenkungen“ – also Fälle, in denen eine Leistung erbracht wird, die aber in keinem Verhältnis zum erhaltenen Vermögen steht. Der Haken: Damit eine Schenkung vorliegt, muss eine Schenkungsabsicht bestehen. Und genau hier lag das Problem: Niemand konnte genau nachweisen, was der Vater damals beabsichtigt hatte.
Beweiserleichterung bei „krassem Missverhältnis“
Der OGH entschied, dass in solchen Fällen eine Beweiserleichterung für die benachteiligten Kinder greifen muss. Wenn ein „krasses Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, spricht ein sogenannter „Anscheinsbeweis“ für eine Schenkung. Das bedeutet: Man kann davon ausgehen, dass der Vater sein Kind mit Absicht bevorzugt hat – es sei denn, der Begünstigte kann das Gegenteil beweisen.
Warum ist das wichtig?
Für die benachteiligten Erben wäre es schwer gewesen, ihr Pflichtteilsrecht durchzusetzen. Denn oft gibt es keine schriftlichen Hinweise darauf, ob eine Schenkungsabsicht bestand oder nicht. Durch die neue Regelung reicht es nun aus, ein starkes Missverhältnis aufzuzeigen – was die Rechte von Pflichtteilsberechtigten erheblich stärkt.
Fazit
Der OGH hat klargestellt: Wer ein Vermögen weit unter Wert erhält, muss damit rechnen, dass es als Schenkung gewertet wird. Damit wird verhindert, dass Erblasser einzelne Pflichtteilsberechtigte bevorzugen und andere übergangen werden.