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Die Treuepflicht von GmbH-Gesellschaftern – Wann wird eine Stimmabgabe problematisch?

AvatarMag. Günther Billes 06. Feb 2025

Gesellschafter haben gegenüber der Gesellschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Eine dieser Pflichten ist die sogenannte Treuepflicht. Doch was bedeutet das konkret und wie weit geht die Treuepflicht? Ein aktueller Fall, den der Oberste Gerichtshof (OGH) zu beurteilen hatte, gibt dazu einige Antworten. Konkret ging es um die Frage, wann eine bestimmte Stimmabgabe in der Generalversammlung geboten oder rechtswidrig sein kann (OGH 18.6.2024, 6 Ob 64/24s).

Der Fall: Streit um das Fragerecht in einer Hauptversammlung

Im zu beurteilenden Fall ging es um einen Generalversammlungsbeschluss, betreffend die Ausübung des Fragerechts der GmbH in ihrer Eigenschaft als Aktionärin einer anderen Gesellschaft. In der Generalversammlung waren sich die vier GmbH-Gesellschafter zwar einig, dass in der Hauptversammlung der Tochter-AG Fragen im Namen der GmbH gestellt werden sollten. Zwei der vier GmbH-Gesellschafter lehnten jedoch den Beschlussantrag ab, das Fragerecht der GmbH als Aktionärin in der Hauptversammlung sehr detailliert auszuüben und mehr als 100 Fragen zu stellen. Diese Ablehnung wollten die anderen beiden Gesellschafter nicht akzeptieren, weshalb sie den Beschluss bei Gericht mit der Begründung angefochten haben, die Gesellschaftermehrheit habe bei der Abstimmung gegen ihre Treupflicht verstoßen.

Treuepflicht in der GmbH: Wann ist eine Stimmabgabe unzulässig?

Grundsätzlich haben GmbH-Gesellschafter das Recht, in der Generalversammlung nach eigenem Ermessen abzustimmen. Allerdings wird dieses Recht durch die Treuepflicht eingeschränkt. Diese verpflichtet Gesellschafter dazu,

  • die Interessen der Gesellschaft zu wahren,
  • gesellschaftsschädigendes Verhalten zu unterlassen und
  • berechtigte Interessen der Mitgesellschafter zu berücksichtigen.

Eine Stimmabgabe kann dann als treuwidrig gelten, wenn sie offensichtlich gegen die Interessen der Gesellschaft verstößt oder nur eigennützige Zwecke verfolgt. In bestimmten Fällen können Gesellschafter sogar verpflichtet sein, einer Entscheidung zuzustimmen, wenn diese für die Gesellschaft unabdingbar notwendig ist („ultima ratio“).

Was entschied der OGH?

Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die ablehnende Stimmabgabe der beiden Gesellschafter in diesem Fall nicht treuwidrig war. Der Grund: Es ging nicht um ein persönliches Interesse der Gesellschafter, sondern um die Frage, wie das Fragerecht der GmbH in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft genutzt werden sollte – also bloß um einen Meinungsverschiedenheit darüber, was das Beste für die Gesellschaft sei. Da es gerade in geschäftlichen Fragen zwangsläufig einen Spielraum dafür gibt, welche Entscheidung die Richtig ist, können Gesellschafter unterschiedlicher Meinung sein, ohne dass dies automatisch eine Treuepflichtverletzung darstellt. Außerdem stellte der OGH klar: Nur weil ein Vorschlag für die Gesellschaft keinen direkten Nachteil bedeutet, bedeutet das nicht, dass alle Gesellschafter diesem zustimmen müssen. Vielmehr müssen die Antragsteller begründen, warum ihr Vorschlag zwingend im Interesse der Gesellschaft ist.

Fazit: Kein Zwang zur Zustimmung – aber auch Grenzen der Ablehnung

Das Urteil zeigt: Gesellschafter sind in ihren Entscheidungen nicht völlig frei, sondern müssen das Wohl der Gesellschaft im Blick behalten. Eine treuwidrige Stimmabgabe kann dazu führen, dass ein Beschluss angefochten und für unwirksam erklärt wird. Gleichzeitig bedeutet Treuepflicht aber nicht, dass Gesellschafter automatisch für alles stimmen müssen, was möglicherweise vorteilhaft erscheint. Wer als Gesellschafter einer GmbH abstimmt, sollte also stets sorgfältig abwägen: Ist meine Entscheidung im besten Interesse der Gesellschaft oder verfolge ich primär eigene Vorteile? Nur so lassen sich langwierige rechtliche Streitigkeiten vermeiden.